Geschichten

Ein Vorbild für Viele

Rasant fährt das Motorradtaxi auf einen Parkplatz in Bomet, einer kleinen Stadt im Westen Kenias. Hinter dem Fahrer sitzt Daisy. Die 23-Jährige steigt ab und geht selbstbewusst auf den Eingang der Schule zu. Als angehende Lehrerin sammelt Daisy hier ihre ersten praktischen Erfahrungen. Bei den ersten Schritten entfaltet sie einen Langstock, denn Daisy ist blind und benötigt diese Hilfe zur sicheren Fortbewegung.

Zielstrebig geht sie auf den Eingang der Schule zu. Ihr Leben verlief nicht genauso gradlinig. 

Als Kind wuchs Daisy nicht so selbstbewusst und sicher auf. Sie lebte mit ihren neun Geschwistern außerhalb der Stadt. Auch ihr älterer Bruder ist blind, zwei jüngere Geschwister stark sehbehindert. Ihr Vater arbeitete als Lehrer, doch sah er kaum Bildungsmöglichkeiten für seine Kinder, die weder die Tafel lesen noch ihre Hausaufgaben selbst aufschreiben konnten.  Da sein Gehalt für die Familie kaum reichte, beschloss er nur das Schulgeld für die sehenden Kinder zu zahlen. Diese sollten dann später ihren blinden Geschwistern helfen können.

Dieses Denken ist in entlegeneren Regionen Kenias weiterhin verbreitet. Die Familie und die Gemeinschaft kümmern sich um blinde Menschen, aber sie werden nicht als aktiver Teil der Gesellschaft erkannt. Daher gehen blinde Kinder häufig nicht zur Schule und haben kaum eine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Sie sind dauerhaft von der Mildtätigkeit anderer Menschen abhängig.

Doch Daisy ist ein Beispiel, wie wichtig das Recht auf Bildung für alle Menschen ist. Michael Ng’eno von unserer kenianischen Partnerorganisation Salus Oculi Kenya (SOK) traf sie durch Zufall. Er vermittelte sie an eine von uns gebaute Schule mit angeschlossenem Förderzentrum für blinde Kinder, wo sie schnell den Unterrichtsstoff nachholte. Sie lernte Brailleschrift, den Umgang mit dem Langstock und vieles mehr. Heute steht sie kurz vor ihrem Universitätsabschluss in Geschichte und Religion. Doch der Beruf als Lehrerin ist nur der erste Schritt.

„In einigen Jahren will ich Geschichte in Harvard studieren.“

Ihr Traum ist ein zweiter Abschluss an der amerikanischen Eliteuniversität. Daisys Lebensgeschichte ist schon jetzt ein strahlendes Beispiel für viele andere Menschen in Kenia! Sie überzeugt als Vorbild, das viele Eltern ermutigt ihr Kinder mit eingeschränkter Sehfähigkeit zur Schule zu schicken.

Skip to content